Freinet-Kindergarten

Hierzulande sind Freinet-Kindergärten echte Raritäten, da man der Pädagogik von Celestin Freinet in Deutschland mit gewissen Vorbehalten begegnete. Im romanischen Sprachraum sieht dies dahingegen ganz anders aus, denn dort ist die Freinet-Pädagogik weit verbreitet und kommt gleichermaßen an Kindergärten und Schulen zum Einsatz.

Philosophie und Grundlagen der Freinet-Pädagogik

Kennzeichnet für die Freinet-Pädagogik ist der Umstand, dass die freie Entfaltung der Kinder im Vordergrund steht. Durch eine Kombination von Spiel und Arbeit in Verbindung mit einem hohen Maß an Eigenständigkeit soll dies diesem pädagogischen Ansatz zufolge erfolgen. Die Philosophie der Freinet-Pädagogik erzieht die Kinder schon früh zu Selbstverantwortung. Dies wird vor allem anhand dessen deutlich, dass sie den Tagesablauf zu einem wesentlichen Teil selbst mitgestalten. Freinet-Pädagogen sind folglich dazu angehalten, sich individuell auf die Kinder einzulassen und ihre selbstbestimmten Entscheidungen zu respektieren. Individualität ist folglich von zentraler Bedeutung, schließt aber keineswegs gemeinsame Aktivitäten aus. Beim gemeinsamen Basteln und Musizieren können sich die Kinder ausleben.

Das pädagogische Konzept von Freinet-Kindergärten

In Anbetracht der Tatsache, dass die Kinder größtenteils selbst bestimmen, was sie lernen oder spielen möchten, könnte man meinen, in einem Freinet-Kindergarten herrsche absolutes Chaos. Dem ist aber nicht so. Die Erzieher/innen leiten die Kinder immer wieder an und geben ihnen in Ateliers, Werkstätten, Laboren und im Rahmen von Ausflügen die Chance, sich auszuleben. Obgleich den Kindern freie Hand gelassen wird, agieren sie natürlich nicht vollkommen unkontrolliert. Die vielen Freiheiten sorgen aber dafür, dass die Kinder schon früh verantwortungsvolles Handeln lernen.

Die Geschichte der Freinet-Pädagogik

Namensgeber und Begründer der Freinet-Pädagogik war der Reformpädagoge Celestin Freinet. Der Franzose entwickelte seinen eigenen pädagogischen Ansatz gemeinsam mit seiner Ehefrau Elise und bediente sich dabei bei verschiedenen reformpädagogischen Konzepten. Unterschiedlichste Elemente wurden so zu der neuen Freinet-Pädagogik vereint, deren Geschichte bis in die 1920er-Jahre zurückreicht. Maßgebend war damals die Bewegung Cooperative de l’enseigment laic, die sich auf Unterrichtsmaterialien konzentrierte.

Obgleich Freinet politisch engagiert war und eine sozialistische Gesellschaft als Ideal betrachtete, sprach er sich gegen den Einzug der Politik ins pädagogische Umfeld aus. Zugleich strebte er eine Befreiung von jeglicher Unterdrückung an und legte dementsprechend bei der Entwicklung der Freinet-Pädagogik besonderen Wert auf Neutralität. Seit 1979 wird die Freinet-Pädagogik nun schon in Kindergärten praktiziert, wobei die erste Freinet-Schule bereits 1934 den Lehrbetrieb aufnahm.

Celestin Freinet war als Dorfschullehrer tätig, konnte aber nach einem Lungendurchschuss im Ersten Weltkrieg nicht mehr wie gewohnt unterrichten. Seine Lehrtätigkeit wollte er aber dennoch nicht aufgeben, weshalb er vom lehrergelenkten Unterricht, der ihn sehr anstrengte, Abstand nahm und stattdessen auf die Selbstbestimmung der Schüler/innen setzte. Dass Freinet zum Reformpädagogen wurde und die Freinet-Pädagogik schuf, ist folglich vor allem dem Umstand geschuldet, dass Celestin Freinet aus der Not eine Tugend machte.

In den folgenden Jahren und Jahrzehnten folgten immer mehr Pädagogen seinem Beispiel und sorgten so für einen Erhalt der Freinet-Pädagogik bis zum heutigen Tag. Während dieses Konzept in Deutschland gewissermaßen eine Nische abdeckt, ist die Freinet-Pädagogik in ihrer französischen Heimat sowie dem gesamten romanischen Raum weit verbreitet. Die Geschichte der Freinet-Pädagogik ist folglich noch lange nicht zu Ende.